Voice'n'girls
in Neu-Horst, Theater im Stall


Mitten im Nichts, genau genommen in Neu-Horst, gibt es ein wunderschönes kleines Theater, das heute den Mittelpunkt des Geschehens bilden soll: im "Theater im Stall" treten die Voice'n'Girls vor ausverkauften Rängen auf. Zu unserem letzten Konzert der Mädels hatte uns der Routenplaner ja dermaßen in die Irre geführt, dass wir heute schon ziemlich früh abfahren wollen, um noch gute Plätze ergattern zu können. Ich schaffe es tatsächlich, meine Augenringe auf ein erträgliches Maß wegzuschminken und entgegen der Tatsachen nicht so auszusehen, als seien die beiden letzten Nächte ziemlich lang gewesen. Als ich gerade mit Wimperntusche die Illusion der hellwachen Zuhörerin perfekt mache, steht Solli auch schon vor der Tür und wir düsen los. Die ersten Logenplätze in Neu-Horst gibt es für uns vor der Tür, denn wer zu dusselig ist, die Mechanik der alten Stalltüren zu durchschauen, kann sich diese noch eine Weile von außen ansehen. Aber die Zeit an der kühlen frischen Luft lässt sich durchaus sinnvoll nutzen, z.B. um von außen heimlich in die Garderobe zu fotografieren.

Voice'n'girls
Nadine aus der Paparazzi-Perspektive

Der Einlass in den eigentlichen Theatersaal ist erst um fünf Minuten vor acht, also hat das gesamte Publikum gerade mal fünf Minuten Zeit, um sich um die Plätze zu streiten und es sich bequem zu machen. Der Theaterchef steht auf der Bühne, die auf gleicher Höhe mit der ersten Reihe der Sitze ist, und führt die Regie für eine zügige Platzverteilung. Wer ein bisschen zu langsam war, muss am Rand auf würfelförmigen Sitzkissen Platz nehmen. Die Ränge steigen in etwa so steil an, wie in einem guten Kino, so dass für alle gute Sicht garantiert ist. Heute ist der letzte Abend der Theatertage 2005. Entgegen der Ankündigung treten die Voice'n'Girls nicht als Quintett auf sondern nur als Quartett, denn: "eine hat sich schwängern lassen. Gucken Sie mich nicht so an, ich habe nichts damit zu tun" erzählt der Theaterchef. Trotzdem geht die Rechnung leider nicht auf, dass man ja jetzt statt zehn Euro für fünf Sängerinnen nur acht Euro für vier bezahlt. Da Weihnachten wie jedes Jahr so plötzlich kommt, werden wir noch auf die Möglichkeit hingewiesen, Theatergutscheine zu verschenken und schon geht die Show los.

Nadine betritt als erste singend die Bühne und wir werden mit "Get you ready" auf den Abend eingestimmt. Die vier singen ohne technische Verstärkung und mir erscheint bei diesem Lied die Akustik des Theaters ein wenig trocken zu sein. Dieser Eindruck gibt sich aber schon beim zweiten Lied: Joanas Solo in "Sweet Dreams" verursacht bei mir eine Gänsehaut und von "trocken" ist für den Rest des Abends nichts mehr zu spüren. Susanne ist empört über die Moderation, dass sie so nur zu 80% da seien. Denn: "Eigentlich sind wir vier 100%, mit Nina sind wir 120%, normalerweise kosten wir 12 Euro!" Es wurde ja immer wieder gefordert, dass die vier sich einen Bass zulegen sollten, und Nina hat sich daran gehalten. Allerdings ist dieser Bass gerade mal 53cm groß, 3500g schwer und der Grund dafür, warum die frischgebackene Mama nicht mit auftritt. Es folgt die Erklärung des Barbershop. Wir leben ja schon seit einigen Jahren in einer Zeit, in der die Männerwelt nicht mehr in der Höhle lebt und die Zuneigung ihrer Frauen per Keule gewinnt, sondern in der sich männliche Exemplare rasieren. Oder sogar rasieren lassen. Frauen gehen bekanntlich zu mehreren aufs Klo, Männer dafür gemeinsam zum rasieren lassen. Irgendwann haben sie da begonnen zu singen, und so entstand die Barbershop-Musik. Von "Strolling through the park" bin ich völlig gefangen, die Interpretation ist wunderbar.

Nadine erläutert uns die Lightshow des heutigen Abends. Es gibt zwei Lichteinstellungen: an und aus. Für das folgende Lied wird Einstellung 2 benötigt, denn "Steel away" singen sie auf Barhockern sitzend und nur von Kerzen beleuchtet. Das Lied ist wunderschön und wird absolut perfekt und super sauber vorgetragen, ich bin begeistert. Überhaupt gefällt mir das Konzert heute noch weitaus besser, als das im Juli in Hoopte. Die vier Stimmen sind so perfekt aufeinander abgestimmt, dass es teilweise unmöglich ist, Einzelstimmen herauszuhören, weil sich der Klang so wunderbar mischt. Ein klares Votum für unplugged-Auftritte. Plötzlich wird die Show von einem unerwarteten (?) Einwurf aus dem Publikum gestört. Einem jungen Mann fehlte noch das passende Geburtstagsgeschenk und er bittet darum, dass "Happy Birthday" gesungen wird. Nicht jeder im Publikum begreift, dass diese Störung durchaus vorher bekannt war (der Titel steht mit auf der gedruckten Titelliste) und so regt sich eine Frau darüber auf, dass das ja dreist sei! Tja, dreist siegt. Die vier singen das Telefon mit einer bewundernswerten Intensität an und die beglückte junge Dame sagt hinterher: "Ich hab auf Lautsprecher gestellt, der Rottenkamp bebt!!!"

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Das war laut Suzanne aber nur der Studententarif und sie beginnt, die Idee mit der 0190-Geburtstagshotline zu erläutern. "Wer von Ihnen hat schon mal eine 0190-Nummer angerufen?" Niemand meldet sich. "Wer von Ihnen hat schon mal darüber nachgedacht, eine 0190-Nummer anzurufen?" Wieder meldet sich keiner. Liegt das daran, dass der Altersdurchschnitt des Publikums geschätzt bei 45 liegt? Sind die alle so brav? Oder einfach nur feige? "Und wer ruft regelmäßig an, will das aber nicht zugeben?" Na, da kann ich mich doch ohne Probleme mal melden. Seitens der Bühne bringt mir das lautes Gelächter ein, vom Rest des Publikums vermutlich eher Entsetzen, was ich aber aus der ersten Reihe nicht mitbekomme. Zu meiner Verteidigung darf ich glücklicherweise sagen, dass niemand mit Herzinfarkt ins Krankenhaus musste. Joana demonstriert die Hotline: "....Wenn das Geburtstagskind deutsch spricht, drücken Sie die 1. Spricht das Geburtstagskind spanisch, drücken Sie die 2. Mag es das Geburtstagskind lieber französisch, sind Sie definitiv bei der falschen Hotline. Über die Sterntaste gelangen Sie zurück ins Hauptmenü...." Für richtig richtig viel Geld würden die Voice'n'Girls alles tun, wie sie bei "Rum and Coca Cola" beweisen.

Voice'n'girls
Ab jetzt wird's richtig teuer!

Es geht ohne Moderation weiter mit "Think" und danach erzählt Nadine, dass zu Gründungszeiten die Soli noch gerecht verteilt gewesen seien. Deswegen fängt Joana schon wieder an. Beim "Praise Medley" beschließe ich, mir nicht mehr zu notieren, wann mir der Gesang eine Gänsehaut über den Rücken laufen lässt, es ist einfach perfekt! Das Medley gehört zu den berüchtigten drei ersten Songs, die die Voice'n'Girls konnten. Bei Hochzeiten war es dann immer die Kunst, mit einer fiktiven Liste die Braut davon zu überzeugen, dass genau diese drei Lieder perfekt zu ihrer Hochzeit passen und sie zu etwas individuellem machen. Die Taktik ging so lange gut, bis zu oft der selbe Pastor die Zeremonie vollzogen hat und das Spiel damit aufflog. Das zweite von den drei Liedern ist "Amazing Grace". Fridi sagt das darauf folgende Stück kurz und knackig an: "Wie Sie merken singen wir ja a cappella. Aber für das nächste Stück habe ich meine Band mitgebracht." Im "Shoop Shoop Song" benutzt Suzanne Joana und Nadine als Glocken, die immer, wenn sie was auf den Schädel bekommen, klingen und in die Knie gehen müssen. Dass als Bandtext an einer Stelle: "...schramm schramm schramm schramm schramm schramm Ü-ber-gang!!!" gesungen wird, merkt beim ersten Mal niemand, erst beim zweiten Durchgang bekommt dieses Detail Aufmerksamkeit und ein paar Lacher. Das letzte Stück vor der Pause wird wieder von Suzanne angesagt. Sie erzählt, dass die Wise Guys so unbekannte Hallen wie das CCH in Hamburg füllen und dass sie aber doch viel über Männerthemen singen. Um das zu beweisen zitiert sie den Text von "Mädchen lach doch mal". Dabei fällt ihr auf, dass der Texter offensichtlich für Männer untypisch multitaskingfähig sein muss, denn er kann bei seiner Traumfrau gleichzeitig auf die Figur und ins Gesicht schauen. Ob man damit behaupten darf, dass Dän der weiblichste Wise Guy ist? "Mädchen" wird absolut toll vorgetragen und die Voice'n'Girls verlassen bei heftigem Applaus die Bühne zur Pause.

Voice'n'girls
Bühnenchaos á la Voice'n'Girls

Kurz vor Ende der Pause kann man folgenden Dialog im Publikum mitverfolgen: "Die hätten ja wenigstens ihre Sachen aufsammeln können!" - "Naja, vielleicht hat das ja was zu bedeuten." - "Die ziehen sich nachher wieder an und wir kriegen das Geld wieder!" Diese Idee wird nicht unterstützt, bevor die vier mit "I will follow him" anfangen, räumen sie noch schnell die Bühne auf. Es folgt das erste selbstgeschriebene Stück der Voice'n'Girls, dass laut Komponistin Suzanne leider unvollständig ist, ihr sind nämlich die Ideen für eine Melodie ausgegangen und daher hat sie nur einen "Rap" hinbekommen. Der Text ist diesmal klar verständlich und wird meistens von dreifacher Mouthpercussion begleitet. Es ist absolut klasse, dass Mundschlagzeug ganz offensichtlich auch ohne Mikrophon und Mischpult hervorragend rüberkommen kann. Mit der in der letzten Zeile des Rap genannten klitzekleinen Tröte nimmt Fridi sich ihren Anfangston für "Bridge over troubled water". Klanglich ist es wieder perfekt, nur ab und zu sind Hs an den Wortanfängen zu hören, die da nicht sein sollten. So wird aus "I will lay me down" ein "Ha will lay me down", was dem Genuss dennoch keinen Abbruch tut. Meine Gänsehaut muss ich gar nicht mehr erwähnen, oder?

Voice'n'girls

Die Voice'n'Girls kommen zu ihrem sportlichsten Stück. Bei "Pata Pata", das zusammen mit "The lion sleeps tonight" vorgetragen wird, singt Nadine die Hauptstimme und Joana, Suzanne und Fridi müssen sich mit einer schweißtreibenden Choreografie abkämpfen. Da aber alle großen Bands auf der Bühne mit Playback arbeiten, muss jetzt das Publikum ran und the lion sleeps tonight übernehmen. Nadine sucht sich die Männer aus, um denen ihren Part beizubringen. "Wenn wir gleich so'n richtig gut gebauten Bass raushören, dann überlegen wir uns das noch mal." Uns wird versprochen, dass niemand zuhört und sie eigentlich nur einmal ihre volle Choreografie tanzen wollen, also singen die etwa 90 Zuschauer begeistert mit und beobachten vier tanzende Voice'n'Girls.

Voice'n'girls

Das nächste Lied ist wieder so ein special, "Weil: da ziehen wir uns um!" Für "Barbara Ann" müssen Häkelmützen und Sonnenbrillen her und die "Rockmaus" Fridi schmettert uns ihre Hauptstimme entgegen. Beim folgenden "Lollipop" gehen mir die mitsingenden Zuschauer ein wenig auf die Nerven, vor allem, weil auch einige Männer so ihre Begeisterung ausdrücken zu müssen glauben und sich das überhaupt nicht mit dem Klang von der Bühne mischt. Außerdem ist das Mitgesinge viel zu laut... Da konzentriere ich mich lieber auf die Handbewegungen, die auch auf engstem Raum noch witzig sind. Nachher erzählt Suzanne uns vom einzigen kleinen Problem, dass es in der Band gibt. Die anderen sind alle große Probleme. Das gemeinsame Lieblingslied ist leider saisonabhängig und in Anbetracht der Tatsche, dass man im Januar Erdbeeren bekommen kann, ist das ja ziemlich gemein. Nur die Clementinen klammern sich verzweifelt an Weihnachten. Für "Rudolph the rednosed Reindeer" verwandeln sich die Voice'n'Girls wieder in vier knuffige Rentiere mit rotem Geweih und es stört keinen, schon Mitte November ein Weihnachtslied zu hören.

Voice'n'girls

Dann endlich der Hinweis auf die internationale Besetzung. Als erste ist Joana dran, etwas zu sagen, und im Publikum werden die Vermutungen laut. "Spanisch?" - "Nein, Rumänisch!" - "Kannst du rumänisch?!?" - "Nee, aber ich war Donnerstag schon da." Und trotz der kulturellen und anderen Unterschiede sind die vier im Endeffekt doch "Freundinnen". In das Lied hat sich dann auch ein unbemerkter Gast eingeschlichen, denn ab und zu hört man sie von "Hein Freund" singen. Wobei ich vermutlich die einzige bin, die das gemerkt hat? (Sagt's ruhig, ich bin ne schrecklich pedantische Meckerziege...) Meine einzigen Notizen zu "What can I do" sind: "Wooow Joana". Und das sagt eigentlich alles: Gänsehaut und ein Klang zum darin versinken. Bei "Hole in the world" wechseln sich Nadine, Fridi und Joana mit den Melodiestimmen ab und es geht danach direkt weiter mit "Sweet Inspirations", dem letzten Lied im regulären Programm.

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Für die erste Zugabe verwandeln sich die vier Mädels in Weihnachtsengelchen und bewerfen uns währen "Deck the halls" mit kleinen Tüten, in denen eine Visitenkarte und ein Lebkuchen sind und auf denen "Frohe Ostern" klebt. Fridi hat es richtig erkannt: "Das ist das schöne am Showgeschäft, man kann sich ungestraft zum Affen machen!". Als zweite Zugabe hören wir noch so ein ganz unbekanntes Stück: "Oh happy day". Und da das Publikum noch immer nicht zufrieden ist und so lange tobt, bis die Voice'n'Girls noch ein letztes Mal auf die Bühne kommen, hören wir noch ein Solo von Suzanne: "Halleluja".

Auch nach dem Konzert vergeht die Zeit wie im Flug, ehe wir uns versehen ist es fast Mitternacht und Solli und ich beschließen, nach Hause zu fahren auch wenn wir beide noch liebend gerne länger dort sitzen und uns unterhalten würden. Aber es wird keine 24 Stunden dauern, bevor wir die Voice'n'Girls wieder sehen und hoffentlich auch hören werden, denn genau wie wir sind die vier morgen beim Wise Guys Konzert in Hamburg.

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Fällt mir jetzt noch ein treffender Abschlusssatz ein? Also noch etwas anderes, als ich eh schon so oft geschrieben habe? Das Konzert war auf jeden Fall unglaublich schön, klanglich perfekt und intensiv, ich bin einfach nur völlig begeistert.

Warum ist bei der Namensfindung eigentlich niemand auf die Idee gekommen, dass sie sich "Gänsehautgirls" nennen könnten?

PS: Ich muss zur Platzverteilung noch etwas ergänzen, damit da kein falscher Eindruck bei euch entsteht (Danke an Gösta vom Theater im Stall für die Infos dazu):

In den meisten kleinen Theatern werden die Zuschauer erst kurz vor Beginn eingelassen und müssen sich ihren Platz suchen. Die auf den Sitzwürfeln sind dann aber nur Zuschauer, die nicht etwa zu langsam waren beim reinkommen, sondern zu spät bei der Kartenbestellung! Viele davon waren Mitglieder der Theatergruppe. Vier waren an der Abendkasse so traurig, dass ausverkauft war - die durften dann auf den beliebten Würfeln Platz nehmen. Also keine Angst: wer früh genug Karten kauft, bekommt auch einen "ordentlichen" Sitzplatz. Und sehen kann man auf jeden Fall von überall sehr gut! 

Programm:

Get you ready
Sweet Dreams
Strolling through the park
Steal away
Happy Birthday
Rum and Coca Cola
Think
Praise Medley
Amazing Grace
Shoop Shoop Song
Mädchen

I will follow him
Rap
Bridge over troubled water
Pata Pata + The lion sleeps tonight
Barbara Ann
Lollipop
Rudolph the rednosed Reindeer
Freundinnen
What can I do
Hole in the world
Sweet Inspirations

Deck the halls
Oh happy day
Halleluja



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