Rockhouse Brothers
in Stade, Altstadtfest und Fiddler's Green


Völlig unbemerkt blieb an diesem Samstag ein Jubiläum der besonderen Art: Ein Jahr Rockhouse Brothers. Also... nicht die Band hatte Jubiläum, sondern ich, vermutlich zusammen mit tausenden Wise Guys Fans. Vor exakt einem Jahr hatte ich die Rockhouse Brothers auch open Air zum ersten Mal in meinem Leben gesehen und gehört (17.06.2005, Tanzbrunnennachholkonzert). Da mir das aber erst heute beim Bericht schreiben auffällt, ist es zu spät, um das noch groß zu feiern. Dann werde ich das eben auf meinem 50. Konzert nachholen, bis dahin dauert es nämlich auch nicht mehr lange.

Ursprünglich hatte ich gar nicht vor gehabt, einen ausführlichen Bericht zu verfassen. Die Ereignisse in Stade sorgen aber innerhalb kürzester Zeit dafür, dass ich meine Sonntagsplanung ändere und statt in der Sonne zu liegen in Worte zu fassen versuche, warum wir gestern jede Menge gelacht haben.

In Stade ist Altstadtfest und drei Rocklegenden spielen gleich zwei Auftritte. Da lohnt es sich doch, einen Familienausflug zu machen. Nach ungefähr 60 Kilometern Autofahrt und erfolgreicher Parkplatzsuche stellen wir fest, dass die Stadt ziemlich beschaulich ist und uns an Holland erinnert. Das Stadtfest verteilt sich quer durch die Altstadt und wir suchen als Erstes die Bühne am Rathaus. Auf dem Weg dorthin Fragt Marlies ihre (minderjährige) Tochter Belli, ob sie schon Tüten gesehen habe. Mein Kommentar: "Tüten??? Gekifft wird erst nach 18 Uhr!" Darauf überlegt Marlies, ob Kathi wirklich mit Norbert und mir in Stade bleiben dürfen wird... Zum Glück ist Kathi schon groß, außerdem meinte Marlies eh nur Panini-Tüten, um das WM-Sammelalbum vollzukriegen. Katastrophe abgewendet, Glück gehabt. Während wir vom Wasser, in dem genmanipulierte Fische, die eventuell mal Maiskolben waren, herumschwimmen zurück Richtung Rathaus gehen, will Norbert ein Foto von uns machen, doch seine Schwester reagiert entsetzt: "Aber nicht in diesem Kaff!!!"

Tja... nach diesem Satz war klar, dass ich wohl doch wieder zu Stift und Papier greifen werde. Mein altes Konzertberichtebuch ist eh fast voll, also erstehe ich bei Nanunana spontan ein neues Exemplar und einen Kuli dazu. Direkt am Rathaus ist ein subway, folglich ist unser Mittagessen gesichert. Außerdem läuft dort Fußball und noch während wir unsere Bestellung aufgeben, klärt sich die Frage, ob Joe als Englisch sprechender Teilzeitschwede (Zitat von Lena) am 20. den Engländern oder den Schweden die Daumen drücken wird. Es sind die Schweden. Apropos Schweden: Joey scheint schon mal hier gewesen zu sein. Wenige Meter vom Rathaus entfernt gibt es ein Restaurant namens "Alter Schwede", dessen Karte uns mit Elch vom Grill lockt.

Rockhouse Brothers in Stade

Auf der Bühne toben sich momentan noch zwei sehr inspirierende Musikerinnen aus, die mit mittelalterlichen Akkordeonklängen das Publikum beschallen. Hoffentlich gehört zu den angedeuteten Änderungen bei Pay-TV nicht, dass sie sich in so eine musikalische Richtung verlaufen! Ich hatte im Gästebuch ja schon einige Ideen geäußert, an denen nicht nur ein paar Fans ihren Spaß hatten:

Kleine oder große Veränderungen? Hier ein paar spontane Ideen, die natürlich weder auf etwaigen Wahrheitsgehalt noch auf Jugendfreiheit geprüft wurden:

1) J&J schneiden Wolff die Haare.
2) Sie tauchen mal wieder alle in Wasserstoffblond auf (Oh Graus, bitte nicht!).
3) Pay-TV spielen ab sofort auch in kurzen Hosen.
4) Joey moderiert auf Deutsch.
5) Pay-TV kehren ihrem Stil komplett den Rücken und starten als Heavy Metal Rowdies beim Grand Prix durch (wer muss dann eigentlich die Flügel tragen?).
6) Jamie zerbricht das Glockenspiel.
7) Eine neue Gretsch?
8) Joey wird Drummer, Wolff steigt aufs Klavier um. Wer braucht schon Gitarristen? ;-)
9) Es kommt die heiß ersehnte Schwedentour.
10) Das Management gibt letztendlich bekannt, dass alle drei schwul sind.

Na dann lassen wir uns mal überraschen.

Zurück nach Stade. Bei Portugal gegen den Iran steht es 0:0, wir belagern die vorderen Bänke und gucken gespannt beim Aufbau und Soundcheck zu. Okay, Belli guckt eher ins subway und verfolgt weiter das Fußballspiel, aber so werden wir wenigstens immer mit den aktuellen Spielständen versorgt. Zunächst flickt Jamie den Bass mit ein paar weiteren Streifen Gewebeklebeband. Wahrscheinlich hat sich während einer Turnübung mal wieder ein Splitter gelöst und unser Lieblingsbassist möchte den nicht im Bein stecken haben.

Rockhouse Brothers in Stade
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Joey testet derweil den Gitarrensound und beginnt dazu mit dem Intro von "Here we go". Eigentlich würde mich das zum Träumen bringen, doch eine ältere silbergelockte Dame in der ersten Reihe im linken Block zieht plötzlich unsere Aufmerksamkeit auf sich. Sie sagt zu ihrem Begleiter: "Der rechte ist immer so süß!" und zückt die Kamera. Jamie gibt alles, um die Omi zu beeindrucken, doch die Überraschung über sein ältestes Groupie löscht einen Teil des Gedächtnisses und so improvisiert er: "If I only knew the lyrics / I could sing a song for you..." Das Ende der spontanen Geschichte ist, dass er zu Hause sitzt und auf sie wartet. Herzerreißend! Kathi ist da weniger romantisch und meint trocken zu mir: "Jetzt gehen die Leute gleich!" Da ich solche Sprüche heute akribisch notiere, lachen wir uns über die Notizen kaputt, was wiederum Marlies auf den Plan ruft: "Irgendwer nimmt das hier nicht so ernst, kann das sein?"

Rockhouse Brothers in Stade
Der Ausblick aus dem subway

Als der Soundcheck fertig ist, verkündet Joe: "The Rockhouse Brothers will begin in three minutes!" Am Gelächter merkt man sehr genau, wer sie schon kennt und wer noch nicht. Jamie kommt nach eineinhalb Minuten (nach wie vor in seinen Straßenklamotten) zurück und Marlies sagt: "Oh, er braucht jemanden, der ihm beim Umziehen hilft!" Wir überlegen, ob wir uns für jede Minute Verspätung nachher ein Bier ausgeben lassen sollen, entscheiden uns aber wegen der drohenden Alkoholvergiftung dagegen. In der Wartezeit notiere ich mir: "Wer hat eigentlich das Banner verklüngelt?" und muss erkennen, dass das Wort "verklüngeln" nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch des handelsüblichen Hamburgers gehört. Kathi traut sich nicht zu fragen, aber Norbert macht mir auf seine charmante Art klar, dass er mal wieder nix rafft und lästert gleich los, dass ich ja auch Abzählreime anders kenne, als er. Erst die einfache Erklärung: Verklüngeln bedeutet, etwas zu verlegen bzw. zu verschusseln. Und ich finde ja immernoch, dass es heißt: ""Selber, selber" lachen alle Kälber. Die Kälber sind im Stall und du hast nen Knall!" Die Hamburger haben da eher eine Variante mit einem Hühnerhof und enden darin, dass das Gegenüber doof sei. Kleiner Tipp: Gebt mal "selber selber lachen alle kälber" bei Google ein und guckt, ob ihr nen Hühnerhof findet... Egal. Die Rockhouse Brothers brauchen jedenfalls eher drei Minuten pro Person, doch dann stürmen sie endlich die Bühne.

Wie immer beginnt das erste Set mit "Little pig" von Dale Hawkins. Das Intro ist super sauber intoniert und wir bewundern die Socken der Jungs. In Hannover sah es noch so aus, als würden nackte Füße in den Chucks stecken, jetzt sind es weiße Sportsocken von PUMA. Ich sag jetzt mal nicht, wer es war, aber einer der drei hatte vorher offensichtlich höhere Socken angehabt, was die Abdrücke eine Handbreit über den blauen Schuhen beweisen. Aus dem subway erreicht uns die Nachricht, dass Portugal mit 1:0 in Führung gegangen ist. Weiter geht es mit "I'm ready" von Fats Domino. Wie üblich fragt Joe: "Are you ready, Jamie?". Doch er antwortet diesmal nicht mit: "I was born ready, Joey" sondern sagt nur "Yeeeeeeeeeeeees" und zieht dabei den Ton von oben nach unten. Wolff macht ihm das spontan nach und auch das Publikum singt der Bühne das Yes entgegen. Auch wenn es bewölkt ist, fühlen sich die Temperaturen doch sommerlich genug an, damit drei weiße Jacketts in die Ecken der Bühne fliegen. Die figurbetonten Poloshirts sehen richtig klasse aus, egal ob man sie wie Joey in die Hose steckt oder wie Wolff und Jamie draußen lässt. Auch der Omi scheint das zu gefallen, denn sie drückt schon wieder eifrig den Auslöser ihrer Kamera.

Rockhouse Brothers in Stade

Anfangs erschien uns der Bass ein wenig zu leise zu sein, doch bei "16 tons" von Merle Travis passt der Sound. Es lohnt sich, nicht nur auf den Leadgesang zu achten. Auch im Hintergrund sind einige Lacher verborgen so wie im folgenden "Bye bye love" von den Everly Brothers. Dass ich die Mundharmonika mag, habe ich schon oft genug erwähnt. Joey macht das richtig gut! Die Textstelle: "There goes my baby / with someone new / she sure looks happy / I sure am blue" wird von Jamie mit "Yeah, me too" kommentiert und bringt diejenigen, die den Satz bewusst wahrgenommen haben, zum Grinsen. Joey fordert das Publikum auf, einige Schritte näher zur Bühne zu kommen. Man könne ja ein Bier kaufen und nach vorne kommen. Ein Herr macht das und promt sagt Joey begeistert: "Yeah, follow this man!" Auch nach "La Bamba" von Ritchie Valens geht es ein paar Schritte weiter nach vorne. Mir fällt die Tasche einer jungen Frau auf, auf der fünf sehr vertraute Schriftzüge sichtbar sind: Clemens, Sari, Ferenc, Eddi und Dän haben sich dort verewigt.

Es geht weiter mit "You never can tell" von Chuck Berry und dem "Cocaine Blues", während dem Portugal das 2:0 schießt. Wolff wippt die ganze Zeit mit dem Kopf hin und her. Ob er Bellis plötzliche Torgestik falsch gedeutet hat? Immerhin zeigt sie das T für Tor mit der gleichen Geste, wie Trainer ein Time out signalisieren. Joey zeigt sich im Moment wenig vom Fußball berührt, er möchte lieber wissen, ob jemand aus Cranz anwesend sei. Auf der Hinfahrt sind die drei durch Cranz gekommen und er will nun den Bürgern von Cranz das folgende Lied widmen: "In the Ghetto" von Elvis Presley. Bei "Great Balls of fire" von Jerry Lee Lewis kommt nicht nur die Sonne raus sondern auch die Presse auf den Platz. Wir vermuten, dass die Dame vom lokalen Käseblatt ist und beobachten gespannt, wie sie sich verhalten wird. Bei "The Lion sleeps tonight" von Solomon Linda's Original Evening Birds fällt auch das Glockenspiel des Rathauses mit ein und gibt unbeirrt "Die Gedanken sind frei" von sich. Wir feiern, was das Zeug hält und beobachten überrascht, dass auch die Journalistin mitsingt und versucht, die in die Luft gestreckten Arme zu fotografieren. Bei den Männern ist sie nicht schnell genug, aber auch die Frauen werden ja noch aufgefordert, einen Arm in die Luft zu strecken und dann auf die Hose ihres männlichen Nachbars zu senken, damit der hübsch hoch singen kann.

Rockhouse Brothers in Stade
Peggy Sue

Bevor "Peggy Sue" von Buddy Holly erklingt, müssen die drei wie immer ihre Brillen aufsetzen. Die kurze Wartezeit überbrückt Wolff  mit gleichmäßigem Bearbeiten der Fußmaschine seiner Bassdrum, was einfach geil klingt! An der Stelle, wo Jamie mit dem Hintern wackelt lohnt es sich, das Publikum zu beobachten. Die Journalistin guckt im ersten Moment beschämt zur Seite, greift dann aber doch nach ihrer Kamera und hält drauf. Ich habe so natürlich verpasst, was unsere Omi gemacht hat. Naja, du kannst nicht alles haben. Im Buddy Holly Block folgt natürlich noch "Oh boy". Danach erklärt Joe, dass die folgenden Sätze bitte für die anwesenden Kinder ins Deutsche übersetzt werden sollen. "Wenn eure Eltern euch kein Geld geben, um eine CD von den bescheuerten Musikern zu kaufen, bedeutet das, dass sie euch nicht lieben. Nein, okay, das stimmt nicht. Es heißt nur, dass es nicht eure echten Eltern sind!"

Jamie moderiert "I'm a believer" von den Monkees an und ist dabei ungewohnt heftig: "...to ask YOU, sinners, this one and all important questioooooooooooon"... Hoppla, bisher hatte er uns noch nie als Sünder bezeichnet. Weiß er was, von dem wir nicht wissen, dass er es weiß? Kathi scheint Ähnliches durch den Kopf zu gehen, dann sie sagt zu mir: "Ich glaub, wir fallen auf." - "Ach was!" Das Publikum soll noch einmal fünf Schritte vorkommen, diesmal zählt Joe sogar mit und merkt dann, dass das nicht nah genug ist. Also nochmal fünf. Der Vorteil ist eindeutig: So sind die Leute viel näher dran, wenn sie eine CD kaufen wollen. Das letzte Lied vor der Pause ist der "Twenty Flight Rock" von Eddie Chochran und jetzt fallen wir wirklich auf, weil wir beim Basssolo die ganze Zeit "Go Jamie, go Jamie" brüllen. Zu unserer Verteidigung: Dirk hat angefangen!

In der Pause holt Jamie, nachdem er die Autogrammwünsche befriedigt hat, endlich das Banner aus dem Bulli. Wir rätseln währenddessen, wieso ausgerechnet seine Socken in die Schuhe gerutscht sind. Ob er keine PUMA-Socken hat wie die anderen beiden? Das wäre ja eigentlich egal, aber wer weiß? Vielleicht haben sie ja einen Sponsoringvertrag und er hat doch die falschen Socken an? Wäre natürlich dumm, wenn ein offizieller Vertreter der Firma käme, um das zu überprüfen. Dann wäre die Antwort: "Natürlich habe ich die getragen, die sind nur beim Tanzen runtergerutscht" ziemlich geschickt. Wobei es ziemlich unerotisch ist, Model für weiße Socken zu sein, oder? Nur gut, dass sie in Chucks auftreten und nicht in Sandalen!

Rockhouse Brothers in Stade          Rockhouse Brothers in Stade
In der Pause werden die Autogrammwünsche der Fans erfüllt.

Das Ende der Pause bricht die Sponsorensockendiskussion ab und sie starten wieder in Jacken mit "Twist and Shout" von den Top Notes. Bei "Wake up little Susie" von den Everly Brothers hält uns nichts mehr auf den Bänken. Bemerkenswert sind die plötzlich in einer Vielzahl vertretenen Schlagzeuger. Scheinbar ist ein ganzer Spielmannszug gerade ohne Auftritt und so läuft ein junger Mann mit einer Trommel über den Platz. Die Marke der Felle lasse ich mal unerwähnt, das Logo beinhaltet aber eine Krone ;-). Interessant finde ich auch eine Dame mittleren Alters aus deren Rucksack einige Sticks und sogar ein Paar Rods gucken. Es wird noch internationaler, denn das folgende Stück haben die drei uns von ihrem Aufenthalt in Ägypten mitgebracht: "Walk like an Egyptian" von den Bangles.

Rockhouse Brothers in Stade

Danach geht es - jetzt wieder ohne Jacken und noch immer mit der vorher erwähnten Verteilung von in die Hose gesteckten Shirts - weiter. Jamie singt "Be my baby" aus dem Film Dirty Dancing und darf hinterher Wolff mit Kaugummi füttern, denn Joe erzählt wieder von der mangelnden Multitaskingfähigkeit der Männer. Wolff fängt das erste Kaugummi leider nicht, er hat offensichtlich keinen Nerv auf Orangengeschmack. Kirsche ist da wohl willkommener und landet nach einem Trommelwirbel in seinem Mund. Klar, das folgende Lied ist "Everyday" von Buddy Holly, bei dem Wolff zeitgleich Kaugummi kauen, mit einer Hand Schlagzeug spielen und mit der anderen Glockenspiel spielen muss.

Bei "I feel fine" von den Beatles fordert Joe wie üblich, dass wir so tun sollen, als seinen wir weibliche Teenager, die wegen der Beatles kreischen. Ich habe es ja schon öfter erlebt, dass am Anfang zwei oder drei Leute schreien und man nach wenigen Takten dumm angeguckt wird, wenn man das immernoch tut. Die Krönung war da ja mal, dass wir wegen unserer ausdauernden Kreischerei Ärger mit der Security hatten. Diesmal ist es anders, der Platz kreischt und pfeift das ganze Lied hindurch und die Damen in der erste Reihe vor uns halten sich die Ohren zu. Uuups. Während "A little less conversation" von Elvis Presley erklingt im Hintergrund wieder das "Die Gedanken sind frei" des Rauthausglockenspiels. Danach sagt Joe, wir hätten noch Zeit für zwei weitere Lieder und sofort schreit jemand aus dem Publikum: "3!!!" Joe bleibt bei zwei, aber er schwindelt wie üblich. Das erste Lied ist "Mrs Robinson" von Simon & Garfunkel, das zweite "Surfing USA" von den Beach Boys und direkt daran angeschlossen kommt das dritte: "Surfing Safari", das im Original ebenfalls von den Beach Boys ist.

Rockhouse Brothers in Stade
Flying Circus ;-)

Es ist wenige Minuten vor 18 Uhr und da die Bühne noch von weiteren Bands gebraucht wird, müssen die drei pünktlich aufhören. Trotzdem ist noch Zeit für Zugaben. Die erste ist "Wipe out" und da wir die Spiegelung des gehetzten Strips in den Fenstern eines Cafés hatten sehen können, wundert es uns nicht, die drei ohne Poloshirts nur noch in halblangen weißen Hosen und weißen Unterhemden auf die Bühne stürmen zu sehen. Und natürlich in weißen Socken ;-). Unsere Omi ist davon überraschter, nimmt sich ihre Kamera und geht beherzt ein paar Meter vor, um richtig gute Fotos ihres Lieblings machen zu können. Wolff ist wieder ganz lieb zu seinem Namensvetter "in" der Bassdrum. Statt wie früher bei seiner Runde um das Schlagzeug von vorne auf das Resonanzfell zu schlagen, läuft er fast auf vier... ähm... Pfoten? vor seinem Schlagzeug her und trommelt auf den Boden. Beim allerletzten Lied des Nachmittagsauftritts müssen wir wohl oder übel an Joes Sportprogramm teilnehmen. Blöderweise funktioniert das bei mir nicht, ich kann nicht mit einem Waschbrettbauch herhalten, nichtmal annähernd. Trotzdem lassen wir uns nicht davon abhalten, bei "Suspicious Minds" von Elvis die ganze Zeit mitzuhüpfen. 

Soviel zum Nachmittag. Marlies, Belli und Dirk machen sich auf den Heimweg während Kathi, Norbert und ich noch abends ins Fiddler's Green wollen und deswegen in Stade bleiben. Es ist etwa 18:30 Uhr, doch vom Stadtfest ist nichts mehr zu bemerken. Die Bürgersteige scheinen hochgeklappt zu sein, auf mehreren Plätzen sind die Bierwagen verwaist und wir entscheiden uns, ein bisschen Zeit im Alex zu vertrödeln. Dort haben die beiden Bedienungen und die Chefin ihren leeren Laden absolut nicht im Griff, aber weder ein überlaufender Latte macchiato noch ein trotz vollem Glas fröhlich weiterblubbernder Zapfhahn sind besonders amüsant. Irgendwie sind wir alle drei auf dem toten Punkt angelangt und ziemlich genervt, dass es dann auch ewig dauert, bevor wir trotz mehreren Nachfragen endlich zahlen dürfen. Das gute an dem Totpunkt ist: Wir werden nachher im Fiddler's wieder hellwach sein. Auf dem Weg dorthin entdecken wir, dass nicht nur der Alte Schwede skandinavische Anklänge in die Kleinstadt zaubert. Seht selbst:

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Norbert kann mich gerade noch daran hindern, dass ich mein Taschengeld beim Entenangeln ausgebe, um einen Stoffelch zu gewinnen. Kathi meint, der sei eh nicht so schön gewesen. Nach einer Portion Pommes auf dem plötzlich wieder rappelvollen Stadfest setzen wir uns ins Fiddler's, um die Partie USA gegen Italien zu gucken. Hinter uns sind auf der Bühne drei junge Männer damit beschäftigt, die Leinwand zu beobachten und ab und zu ein Kabel auszurollen oder ein Instrument aus dem Koffer zu nehmen. Das Publikum ist gemischt, einige geraten bei Torchancen der Italiener in Wallung, andere eher, wenn sich für die USA etwas ergibt. In der Halbzeitpause erfolgt der Soundcheck, danach gucken wir weiter Fußball. Mir geht die ganze Zeit über ein Ohrwurm nicht aus dem Kopf und so singe ich leise immer und immer wieder einige Zeilen aus "Alla talar med varandra" von The Real Group vor mich hin. Har man sagt A få man säga B så får man se vad det är...

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Multitasking?

Ich schreibe über den Abend keinen ausführlichen Bericht mehr, da muss der von heute Nachmittag reichen. Trotzdem sind einige Rahmenbedingungen durchaus erwähnenswert, außerdem haben wir wieder eifrig fotografiert. Am Anfang gibt es eine riesige Schlange vor dem Damenklo und ich muss unwillkürlich an Bodo Wartke denken: "Die Schlange vor dem Damenklo ist kilometerlang. / Alles steht und nichts bewegt sich bis draußen auf'n Gang. / Beim Herrenklo hingegen geht man rege ein und aus. / Kein Vergleich zum stop and go des lahmen Damenstaus." (aus: Das letzte Lied vor der Pause von Bodo Wartke). Hier ist es nicht nur der Gang sondern auch die Treppe runter zum Klo, auf der es sich staut. Joey widmet den wartenden Girls "You're the devil in disguise". In der Pause wünschen sich zwei Mädels unter vollem Einsatz ihres Dekolletés ein Lied für eine Freundin und Kathi reißt sich einen der kleinen Blocks unter den Nagel, mit dem immer die Bestellungen aufgenommen werden. Wir beginnen eifrig und mit wachsender Begeisterung, uns Briefchen zu schreiben. Gerade als ich anfange, nicht jugendfreie Sätze auf schwedisch, die das Wort "knulla" beinhalten, von mir zu geben, geht es weiter.

Rockhouse Brothers in Stade

Bei Peggy Sue und dem dazu gehörenden Hinternwackeln offenbart Jamies durchgeschwitzte weiße Sommerhose gnadenlos, dass er eine karierte Shorts drunterträgt. Lieber Jamie, warum sind die T-Shirts der Mädchen bei Miss Wet T-Shirt Wettbewerben weiß? Richtig, weil man durch nassen weißen Stoff durchgucken kann! Nicht dass uns das stören würde... aber es lenkt schon ein bisschen von der Musik ab. Da helfen auch die verrückten Brillen nicht mehr ;-)

Rockhouse Brothers in Stade  Rockhouse Brothers in Stade

Er bleibt derjenige, über den wir am meisten lachen müssen. Als Wolff "Wonderful World" von Sam Cooke singt, spielt Jamie Kazoo. Auf dem Schlüsselband, an dem er das kleine goldene Instrument um den Hals trägt, steht: "I'm not old, I'm a recycled teenager!" Mittlerweile dürfte es doch sogar heißen: "I'm a recycled Twen", oder?

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Alt oder nicht, lebensmüde ist Jamie auf jeden Fall. Und er beweist das Sprichwort: Je oller, je doller. Auf dem Geländer, das uns daran hindert, ein Stockwerk tiefer auf die geflieste Treppe zum Klo zu fallen, ist eine ca. 35cm schmale Theke angebracht. Die eignet sich prima, um dort Gläser abzustellen. Samt einem Kontrabass darüber zu tapern finden wir ganz schön verrückt. Aber Jamies Schutzengel scheint anstrengende und nervenaufreibende Nachtschichten gewohnt zu sein. Wahrscheinlich ist es nicht nur ein einzelner Engel sondern eine ganze Herde, die mit Adrenalinsensoren ausgestattet sind und ab einem gewissen Pegel dieses Hormons automatisch auf DEFCON 1 gehen. Denn in dem Moment, wo Jamie "Wipe out" ins Micro ruft, schalten sich bei ihm offensichtlich Gesunderhaltungstrieb und Vernunftmodul einfach ab. Oder ist der "Monkey Boy" der sprichwörtliche Mr. Hyde in James Carnwath? Vom braven Kontrabasstalent zum wahnsinnigen Fassadenkletterer? Wie auch immer, wenn Wipe out anfängt, ist Ende. Trotzdem passiert nichts, auch wenn diese Theke gerade mal so breit ist wie der Bass dick. Man (=Jamie) kann den sogar auf dieses Brett legen und darauf surfen. Joey tut unseren Nerven den Gefallen, nicht auch noch draufzuklettern sondern startet seinen Sprung zurück auf die Bühne von einer anderen Theke aus. Ob jemand dem verrückten Bassisten mal erklären muss, dass dieses "Red Bull verleiht Flüüüüüüüüügel" leider nur sprichwörtlich gemeint ist?

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Joey auf der Theke statt auf dem Bass

Rockhouse Brothers in Stade
Genie oder Wahnsinn...
Wer soll darüber entscheiden?



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